Du schaffst das……

„Man ist an etwas Wichtigem vorbeigegangen. An einer Liebe, einem Beruf, einem Umzug in eine andere Stadt, ein anderes Land. An einem anderen Leben. Man ist daran vorbeigegangen, aber doch so nah, dass man manchmal, in melancholischen, fast hypnotischen Momenten, trotzdem Teile dieses Möglichen erfassen kann. Etwa wie eine Radiofrequenz, auf der von weither gesendet wird. Der Empfang ist gestört, aber wenn man gengenau hinhört, kann man Fetzen der Tonspur dieses nicht stattgefunden Lebens aufschnappen. Man hört sich Sätze aussprechen, die man nie gesagt hat, man hört die eigenen Schritte in Räumen widerhallen, in denen man nie gewesen ist, man vernimmt die Brandung an einem Strand, dessen Sand man nie betreten hat…. Wir sind daran vorbeigegangen, so nah, dass etwas davon bleibt.“

aus: „Liebe mit zwei Unbekannten“ von Antoine Laurain

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Morgen habe ich Geburtstag. Ich werde 47 Jahre alt. Ich bin Mutter zweier Kinder. Johanna, 13 Jahre alt, Emanuel 8 Jahre alt. Ich bin eine gestandene Radiojournalistin und ab und an ist mir auch mal ein Fernsehmagazin Filmchen gelungen. Ich bin zum zweiten mal verheiratet. Ich bin in zwei Ländern und Kulturen aufgewachsen. Ich weiss, was es heißt „zwischen den Welten“ zu leben und mühsam zu versuchen, in einer wirklich heimisch zu werden. Ich habe schon so oft im Leben, um etwas gekämpft. Auch um die Zukunft. Manchmal zu Recht. Manchmal vergebens. Manchmal mit viel Unterstützung. Manchmal mit nichts als schon fast bösartigem Gegenwind. Von vielen Kämpfen war klar, der ist jetzt hart, aber auf alle Fälle machbar und mit mehr als guten Chancen, dass sich zum Schluss alles zum Guten wendet. Die meisten Kämpfe, die wir im Leben führen: Verarbeitung einer zu Ende gegangenen Beziehung, berufliches Scheitern und Neu anfangen, das Leben umwälzende Veränderungen, wie Geburten, benötigen vor allem eines: Kraft, Kraft, Kraft. Das berühmte Ärmel hoch krempeln und durchhalten und den festen Glauben, am Ende kann alles gut werden, wenn wir uns nur genügend anstrengen. Doch zum ersten mal sehe ich mich einem „Kampf“ausgesetzt, dessen Ende ich beim besten Willen, bei aller Kraftanstrengung, bei allem Willem, „positiv zu denken“, nicht absehen kann. Ich weiß nicht, wie diese Geschichte ausgeht. Hier gibt es keine 100 Prozent Sicherheit. Alles Ärmel hoch krempeln, anstrengen, abstrampeln führt nicht automatisch zum gewünschten Ergebnis:

Alt werden dürfen, die eigenen Kinder groß werden sehen, das gemeinsame Häuschen in der Pfalz oder in der Toskana einrichten, in der Rente, Arm in Arm mit meinem Mann auf einer Bank davor sitzen, Asien sehen, Afrika sehen, Enkel haben, noch einmal neue Aufgaben angehen, doch noch das Buch schreiben, doch noch mal, mein Glück als Synchron-Sprecherin versuchen (ich bin die perfekte „Krähe“ in „Mama Muh“-Kinderbüchern, sagt mein Sohn), die eigenen Eltern pflegen, Nichten und Neffen haben, die große Garten-Party feiern zum 50., die große Dokumentation drehen und und und

Pläne haben.

In dem Film „Heute bin ich blond“ führt Sophie ein Zwiegespräch mit ihrem Krebs. Sie dankt ihm für das viele Jetzt, das Heute, das jeden Moment genießen dürfen, den leckeren Cappuccino beim Italiener, den ersten Frühlingsspaziergang, die viele Zuneigung, die einem jetzt zuteil wird, die Geschenke, das leckere Essen, das extra für einen gekocht wird, die vielen Nachfragen, nach dem Befinden.

Und doch bittet sie ihre Krankheit nun endlich wieder Platz zu machen für das Morgen,  für eine Zukunft, für die Chance, wieder Pläne machen zu dürfen, jenseits der nächsten Behandlung, der nächsten Chemo, dem nächsten Leukozyten zählen, der nächsten Bestrahlung, dem nächsten Röntgen, dem nächsten Blutbild.

Ja, das Jetzt ist ein Geschenk. Auch heute hatte ich viele tolle Momente.

Zufällige Begegnungen mit lieben Menschen: der Plausch mit der Douglas Verkäuferin, die mir immer die falschen Wimpern verkauft und aufgrund vieler eigener familiärer Geschichten weiß, wie wichtig es ist, bei dieser Krankheit noch ein Gesicht haben zu dürfen, eines mit Ausdruck. Die Möglichkeit meine Ängste in einer Maltherapie auf ein Banner zu bannen, auf dass sie auch mal locker lässt – die doofe Angst.

Aber auch das Gespräch mit lieben Bekannten in der Eisdiele. Worum es ging? Ums Pläne machen. Um die tollen Plätze, die es doch noch zu bewundern gibt auf der Welt und an denen man sich doch auch niederlassen könnte, weil man doch nur das eine Leben hat. Um die Zukunft.

 

 

 

 

 

 

 

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