Ärzte Bullshit Bingo

Kaum hatte ich meinen Artikel über die Kommunikation zwischen Arzt und Patient geschrieben, fielen mir nachts tausend blöde Sprüche ein, die mir Ärzte in den letzten Monaten an den Kopf gedrückt haben. Der Mensch vergisst und verdrängt halt gerne…

Da bei diesen Sprüchen wirklich so mancher „Kalauer“ dabei war, muss ich diese nachtragen, denn sie geben ziemlich eindrücklich wieder, dass „einfühlsame“ Kommunikation zwischen Arzt und Patient(in) nicht gerade die Regel ist. Und so mancher „Kalauer“ hat mich in diesem Moment oder an diesem Tag wirklich runtergezogen bzw. auch auf die komplett falsche Fährte geführt.

Nehmen wir allein die Zeit, die es in Anspruch genommen hat, die Diagnose zu stellen. Ich selbst hatte den Knoten bereits im März 2017 ertastet. Meine Frauenärztin schickte mich daraufhin vorsorglich in ein Radiologiezentrum, das sich auf Vorsorge bei Brustkrebs spezialisiert hat. Die Ärztin, die mich dann untersuchte, Mammographie und Ultraschall durchführte, erklärte doch tatsächlich: „Wir machen keine Biopsie. Wir wollen doch nicht den Pathologen zum Lachen bringen, weil ihnen ein Pickel nach innen gewachsen ist!“ Der „Pickel“ blieb dann auch noch satte sieben Monate in mir drin und durfte noch eine ganze Weile ungehindert wachsen. Ich wollte dieser Dame schon lange mal einen Besuch abstatten, bin aber zum dem Schluss gekommen, dass ich meine Kräfte gerade für Wichtigeres benötige. Klar ist: in dieses Radiologiezentrum setze ich keinen Fuß mehr rein….ambulance-architecture-building-263402

Kaum war die Diagnose gestellt, bemühte ich mich natürlich darum, Ärzte zu finden, die mich während der Akuttherapie begleiten. Gerade während der Chemotherapie. Ich fragte zuerst meinen Hausarzt, der zugleich auch Internist ist. Der ist bekannt für seine markigen Sprüche. Aber bei solch einer Diagnose, hätte ich dann doch etwas mehr Zurückhaltung erwartet. „Ach Du Scheiße, Chemotherapie? Ne, das ist ja ein Mist. Gerade die mit Platin drin. Furchtbar! Na, die erste geht ja meistens noch, aber dann! Dann kommt das Tal der Tränen. Zum Schluss gehts dann wieder, dann scheint sich der Körper an den Mist gewöhnt zu haben…“ Na, wenn das nicht mal so richtig aufmunternd war! Ihr könnt euch denken, ich konnte es kaum erwarten, mit dem „Mist“ anzufangen. (Wir haben seit diesem legendären Gespräch dann auch kaum noch einen persönlichen Kontakt gehabt.)

„Schön“ war auch mein Versuch, einen Schmerztherapeuten mit ins Boot zu nehmen. Diesen wollte ich aufgrund meiner Rückenprobleme sowieso aufsuchen. Bei dieser Gelegenheit fragte ich ihn, ob er mich auch während der Krebstherapie behandeln würde. Er winkte entsetzt ab und meinte tatsächlich:„Palliativ, ne, das mach ich nicht mehr. Hab ich ne Weile gemacht. Das zieht mich total runter. Meine Mutter ist an Brustkrebs gestorben. Vielmehr an den Folgen der Behandlung. Entsetzlich. Sie sollten sich gut überlegen, ob sie diese Behandlung wirklich durchführen lassen. Was da alles passieren kann! Ich kann ihnen da mal einen Zeitungsartikel zukommen lassen, warten Sie ich schicke ihnen den gleich mal per E-mail.“

WOW. Das saß. Heulend kam ich heim. Ich war völlig fertig von diesem Vortrag und machte mir die größten Sorgen. Ich riss mich dann aber zusammen und rief das DKFZ an und stellte ein paar Fragen zu den nächsten, anstehenden Therapieschritten. Die Berater von der Hotline rückten dann auch einiges zu Recht und waren entsetzt über den sogenannten Schmerztherapeuten, der es geschafft hatte, mich mit wenigen Sätzen komplett aus der Bahn zu werfen. Die Dame am Beratungstelefon meinte dann auch: „Ich habe ja schon von Patienten so manches erzählt bekommen, was Ärzte unmögliches von sich geben, aber das schlägt alles, was ich persönlich bis jetzt gehört habe.“

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Tja, wie gesagt einfühlsam, ist nicht jedermanns Sache. Und mein mich zuerst behandelnder Onkologe, war in dieser Hinsicht auch nicht immer der emphatischste. „Legendär“ sein Versuch ein Medikament zum Laufen zu bringen, das aufgrund seiner „Giftigkeit“ in zehn Minuten hätte in mir drin sein sollen, das aber gefühlt stundenlang vor sich hin „dröppelte“. Beim „rumfummeln“ am sogenannten „Infusionsbesteck“ meinte er doch tatsächlich: „Da müssen wir jetzt n bisschen aufpassen, dass ihnen da nichts auf die Bluse kommt, das Zeug kann Löcher in den Stoff brennen.“ Ach, ja? Is ja mal ne wertvolle Information an dieser Stelle. Ich meine nicht, dass ich nicht schon aufgeregt genug gewesen wäre, weil dieses „gefährliche“ Zeug nicht in einer angemessenen Zeit in mir drin war . Nein, jetzt kam noch die kleine Zusatzinfo dazu, Achtung, das Zeug ist so „ätzend“, das brennt auch Löcher in den Stoff. An dieser Stelle wollte ich ihm gegenüber dann doch erwähnt haben, dass ich diese Zusatzinfo gerade nicht brauche, denn sie trägt jetzt nicht unbedingt zu meiner Entspannung und zur Entspannung der Gesamtsituation bei. Ich denke, man muss auch schauen, wann man als Arzt was sagt, manchmal können zu viele Details auch kontraproduktiv sein. Denn man bedenke, das das „ätzende“ Zeug an diesem Tag ja noch in mich rein musste….

„Süß“ war auch eine der Stationsärztinnen, die, wenn die zwei für die Onkologie zuständigen Ärzte keine Zeit hatten, einspringen musste. Mit ihrer runden Brille, erinnerte sie mich dann doch noch an eine Studentin in den letzten Semestern. Tapfer versuchte sie in der Glatzkopf-Abteilung Haltung zu wahren, besonders stark und streng rüber zu kommen und Herrin des Geschehens zu bleiben. Doch wehe, hier scherte eine aus. In diesem Fall, an diesem Tag – ich. Ja, ich verlor an diesem Tag die Nerven, nein, ich wollte da nicht mehr hin und ja, ich heulte schon los beim Anblick der Nadel, die nun in meinen Port sollte. Beim Anblick dieses heulenden Elends kam dann auch ziemlich prompt:„Haben Sie sich denn keine professionelle Unterstützung zum Reden geholt?“ Äh, ja, hab ich. Aber wir hätten ja jetzt, in dieser Situation, in diesem Moment, schlecht meine Psychoonkologin anrufen können und sie bitten mal schnell vorbei zu kommen, um mich zu beruhigen. Sie war jetzt da, die süße, junge Ärztin mit der strengen Brille. Und es war in diesem Moment ihr Gott verdammter Job, ein paar beruhigende Worte zu finden. Denn nein, leider ist das nicht die süße Säuglingsstation (da war ich auch lieber bei der Geburt meiner Kinder), sondern die doofe Onkologie mit den manchmal hysterischen Brustkrebs-Weibern, aber die sind ja hier auch nicht zur Kur, sondern ziehen sich wortwörtlich echt harten Stoff rein und da kann man erwarten, dass die Menschen, die dort arbeiten, den Patienten entsprechend begegnen.

Da bin ich mittlerweile gnadenlos. Ich bin der Patient. Um mich hat man sich zu kümmern. Und ich kann und will nicht auffangen, was die „Profis“ nicht auf die Reihe kriegen. Und es ist auch nicht mein Job, mir Gedanken darüber zu machen, warum sie es gerade nicht auf die Reihe kriegen. Verkehrte Welt kann ich diesbezüglich gar nicht leiden. Ja, wir sind alle nur Menschen, wir haben alle mal einen schlechten Tag, wir haben alle mal zu viel Stress und schlecht geschlafen. Aber Hallo, wir sind auf der Onkologie. Menschen, die da freiwillig arbeiten, sollten wissen, was sie da für ein Job erwartet und welchen Schicksalen sie da begegnen und mit welchen Ängsten, Patienten da zu Recht kommen müssen. Und sie müssen entsprechend und adäquat reagieren können. Punkt.

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Ich bin jetzt in einer onkologischen Praxis, da stimmt es menschlich wirklich. Und genau deshalb kann Frau drüber hinweg sehen, wenn mal etwas länger dauert oder auch mal nicht klappt. Denn der Ton, das Miteinander ist immer herzlich und zugewandt und alle haben immer ein offenes Ohr für die Nöte und Ängste der Patienten. Da dürfen dann auch mal Tränen fließen und Ärzte wie Krankenschwestern wissen damit umzugehen.

So und weil ich so schön in Fahrt bin, noch eine Schluss-Anekdote: Kurz nach der Operation, als ich noch gar nicht wusste, wie schlimm ist das Ganze überhaupt, welche Therapien erwarten mich etc. hat sich eine Anästhesieärztin ein bisschen den Nachtdienst bei mir verkürzt. Zunächst sah es aus, wie ein nettes Nachfragen nach meinem Befinden und nach einem bisschen Small Talk am Abend. Für mehr hatte ich in meiner Situation auch gar nicht die Kraft. Leider war ich da noch die „höfliche“, „doofe“ Nicoletta, die nicht in der Lage war, irgendwann einen Punkt zu machen und zu erklären, dass ich sehr müde bin und jetzt ein bisschen Ruhe bräuchte. Selber schuld. Auf diese Weise durfte ich dann noch die Frage beantworten, warum ich denn so eine Angst vor dem Sterben hätte. Oder was mich denn an dem Gedanken, zu sterben, so ängstigen und nervös machen würde. Na bravo, auch diese Ärztin wusste doch genau, wie man eine Frau in meiner aktuellen Situation aufmuntert und positiv stimmt, sprich voller Power ausstattet für die anstehenden Hardcore Behandlungen…. Meine Antwort darauf, behalte ich jetzt an dieser Stelle für mich. Dass ich noch viele Male nach dieser Unterhaltung über das Sterben nachgedacht habe und noch nachdenke; dass ich in Gedanken oft alle Eventualitäten durchspiele, sollte der Krebs eines Tages doch zurück kehren, das kann man sich denken. Das liegt in der Natur der Sache.

Aber kurz nach der OP hätten meine guten Chancen, wieder zu genesen in den Mittelpunkt Ärtzlicher Gespräche gehört und keine Grundsatzdiskussion über die Angst des Menschen vor dem Tod. Ich bin noch nicht so weit. Und noch nicht dran. Ich hab zwei Kinder, die muss ich wenigstens noch 18 werden sehen, Frau Doktor. So einfach ist das. Ein rechtes Wort zur rechten Zeit, keine einfache Aufgabe scheinbar im medizinischen Betrieb.

 

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