
Es ist Valentinstag. Nee es ist Fastnachtssonntag. Es ist tiefster Winter. Nee, da stehen doch schon überall Tulpen in der Wohnung rum. Doch es ist tiefster Winter. Da stehen überall auch noch Weihnachtssterne rum. Und was machen Josef und Maria und das Jesuskind noch neben der Lieblingslampe? Überall Verpackungen unserer Faschingskostüme. ÄÄÄhhhh? Was nun? Corona Kuddelmuddel…. Im Kopf. Im Herzen. In der Seele. Tage verschwinden im Nirgendwo. Wochen auch. Bin ich nicht eben gerade erst aufgestanden? Wieso höre ich es dann schon wieder friedlich neben mir schnarchen? Habe ich nicht eben gerade den Mittagsabwasch gemacht? Wieso decke ich schon wieder den Frühstückstisch? Haben wir nicht gerade erst Plätzchen gebacken? Wieso rennt mein 11-Jähriger Fastnachtslieder trällernd mit dem Bierfass-Kostüm des Stiefvaters in der Wohnung rum?
Struktur Struktur Struktur
Natürlich bemühe ich mich seit einem Jahr um nichts anderes als um Struktur. Jede Jahreszeit wird gebührend gefeiert, gewürdigt, gelebt. Durch passende Wohnzimmerdekoration. Passendes Essen. Passende Kleidung. (Ja, wir ziehen uns täglich so an, dass wir mit Würde dem Potboten die Tür öffnen können). Und doch ist es, als ob die Zeit wie ein schwer zu greifender Wackelpudding geworden ist. Die Tage, Wochen, Monate ineinander greifen, als ob sie kein Komma, keinen Punkt und schon gar kein Ausrufezeichen mehr kennen. Meine Lieblingskommode ist ein Wahrzeichen des Wackelpudding-Zustandes. Neben den Tulpen die Weihnachtssterne, neben den Weihnachtssternen die Luftschlangen, neben den Luftschlangen bald die Ostereier.
HOFFEN PLANEN ZU DÜRFEN
Seit dem letzten Merkelschen Zahlendreher, der aus der 50 eine 35 machte (darf ich das auch? Ich werde nämlich demnächst 50… also 35?!?), hat sich die Karnevals-Stimmung in der Familie schon in vorauseilendem Gehorsam der nun bald folgenden Fastenzeit angepasst. Glücklicherweise halten die depressiven Verstimmungen nicht einen ganzen Tag an, und glücklicherweise erfassen sie nicht alle vier gleichzeitig, sondern wir wechseln uns da gerecht ab. Aber die Durchhalteparolen der Erwachsenen an die Kids und auch die Durchhalteparolen, die ein jeder still an sich selbst richtet, sind schwerer auszusprechen. Was allen fehlt ist die Perspektive. Ich weiß nichts mehr auf all die Kids-Fragen zu sagen. „Mama, glaubst Du, dass wir noch vor Ostern in die Schule dürfen?“, „Mama, glaubst Du, dass im Sommer die Geschäfte immer noch zu sind?“, „Mama, glaubst Du, dass ich jetzt die Sprachreise im Sommer machen kann?“, „Mama, glaubst Du, dass ich im Sommer wieder Hockey spielen kann?“…. Ich könnte die Anzahl der Fragen um drei Seiten ertweitern…
FALSCHES KOSTÜM
Ich weiß nicht, ob es etwas genützt hätte, wenn ich statt eines Piratenkostüms ein Wahrsagerin-Kostüm gewält hätte, samt Glaskugel. Vielleicht hätte ich dann eher etwas, zu all den Fragen sagen können. Wahrscheinlich aber nicht. Und so bin ich weiterhin eine Piratin. Ich erobere Ideen, wie man Kinder und Jugendliche auch im absoluten Lockdown, aus der Einsamkeit rauslocken kann und ihnen eine so gute Zeit als möglich bescheren kann. Ich erobere weiterhin die Zuversicht, damit meine „Vielleicht-Antworten“ dennoch Hoffnung ausstrahlen. Ich erobere weiterhin den Froh- und den Irrsinn, ohne den man keine Krisen bewältigen kann. Und ich erlaube mir nach zu vielen Eroberungsfahrten, auch einfach mal zusammen zu brechen und die anderen machen zu lassen. Wie gestern Abend. Da krachte ich mitten im Fastnachtsbuffett vorbereiten zusammen und schlief von einer Sekunde auf die andere im Sessel ein. Schalter aus. Meine 16-Jährige Cheerleaderin rief die Rest-Familie zusammen und so knöllten die verbliebenen Drei Hack- und Zucchinibällchen zusammen, der 11-Jährige Cowboy schlüpfte ins Bierfass–Kostüm des Stiefvaters und verbreitete gute Stimmung, der Kostümlose Stiefvater und Ehemann kämpfte sich durch meinen Rezepte-Salat. Während die Ideen-Priraten-Braut leise im Sessel schnarchte. Huch… wie spät ist es doch gleich? Zeit zu Bett zu gehen oder wieder aufzustehen?